Donnerstag, 27. August 2009

Schlimme Freundschaft


Tana French
Totengleich
784 Seiten, EUR 17,50

Cassie Maddox, die Ermittlerin aus "Grabesgrün" kehrt zurück - und wie noch dazu! Wer ist die Tote, die vor ihr sitzt, in einem verfallenen Cottage in den Wicklow Mountains, mit ihren Gesichtszügen und einem Ausweis auf eine Deckidentität, die Cassie einst selbst erfunden hat? Kein Wunder, dass ihre Kollegen ebenso irritiert sind wie die junge Polizistin, die einen Schritt zurück in die dämmrige Welt der Undercoverarbeit macht, um die Tote und damit auch sich selbst kennen zu lernen. Als Lexie Madison kehrt sie mit Namen und Geschichte der Toten zurück, die - so die offizielle Version der Dubliner Polizei - knapp mit dem Leben davongekommen ist.

"Totengleich" ist um einiges "irischer" als "Grabesgrün" - die Vergangenheit der armen grünen Insel greift stärker in die Gegenwart ein als im Erstling Tana Frenchs. Und wieder besticht sie durch eine poetische Sprache, präzise Beobachtungen und erstaunliche Überlegungen zum Leben ihrer Romanfiguren.

"Totengleich" ist mehr als ein Krimi. Mir ist es beim Lesen so ergangen, dass die Fragen nach dem "Wer", "warum" und "wo" bald hinter die Frage zurückgetreten sind: Welche Kraft hält diese kleine Gemeinschaft zusammen, in der Lexie Madison gelebt und gelacht hat - mit den Studenten Daniel, Rafe, Justin und Abby, der zweiten Frau in der Gruppe, die gemeinsam ein verfallenes Herrenhaus außerhalb Dublins bewohnbar machen wollen?

Cassie begibt sich auf eine gefährliche Gratwanderung - zwar wissen sie und ihr extrem manipulativer Chef Frank Mackey viel über Lexie, aber bei weitem nicht alles. Sollte einer der Mitbewohner der Mörder sein, könnte jeder Fehler tödlich sein.

Hätte Tana French "Totengleich" auf diesen "kriminalistischen" Aspekt reduziert, hätte vermutlich ein Band mit 300, 350 Seiten gereicht. Aber die Autorin will mehr, und es gelingt ihr meiner Meinung nach hervorragend: Sie will die Tiefen und Untiefen der Existenz ihrer Heldinnen und Helden ausloten, und so entsteht ein faszinierendes und todtrauriges Panorama zum Thema Freundschaft(en).

Ulrike Wasel und Klaus Timmermann haben für eine sensible und geglückte Übersetzung gesorgt.

(Kurt Lhotzky)

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