Sonntag, 1. November 2009

"Malina" ist des Rätsels Lösung


Silvia Roth
Schattenriss
Hoffmann und Campe, 542 Seiten, EUR 15,40

Es hat lange gedauert, bis ich mich mit dem "deutschen Krimi" anfreunden konnte. Gewiss - es gab schon in den 70er und 80er Jahren im Gefolge -kys und anderer Pioniere durchaus beachtliche Krimis, die aber häufig so furchtbar bemüht eine moralische Botschaft vermitteln wollten, dass sie meist ziemlich unverdaulich waren.
Mittlerweile hat sich das geändert, und man muss nicht erst Autorinnen und Autoren wie Ritzel, Birkefeld oder Gercke strapazieren, um diesen Umschwung zu belegen.
Bei Hoffmann und Campe ist nun der dritte Krimi Silvia Roths, "Schattenriss", erschienen, eine feine Mischung aus Action, Psychothriller und allerlei privaten Nebensträngen.
In Klammer sei eingefügt, dass gerade diese Ausflüge ins Privatleben der Protagonistin Winifred Heller, einer Polizistin, und ihres Vorgesetzten Verhoeven der Debütantin anfangs die Schelte des Feuilletons eingetragen haben. Auch ich bin nicht unbedingt ein Fan jener Kriminalromane, in denen ich den Kommissar bis zu seiner letzten Tasse Espresso begleiten und lange Ergüsse über sein exquisites Hobby des Sammelns seltener Schnupftabakdosen aus Niederfranken über mich ergehen lassen soll - bewahre! Silvia Roth hat bereits in ihrem letzten Roman, "Querschläger", diese Aspekte, die ja primär der besseren Charakterisierung der Personen dienen sollen, deutlich zurückgenommen. In "Schattenriss" fließen diese Elemente wieder stärker ein, erscheinen mir aber durchaus gerechtfertigt zu sein.
Die Ausgangssituation ist nicht unbedingt neu: Winifred Heller gerät bei einer simplen Einzahlung in einer Sparkasse versehentlich mitten in einen scheinbaren Raubüberfall hinein, der aber plötzlich zu einer Massengeiselnahme ausartet. Gleichzeitig streckt ganz in der Nähe ein Scharfschütze ein Dutzend Menschen mit präzisen Schüssen in die Beine nieder - im Chaos entkommen die Gangster mit ihren Geiseln.
Während sich Polizei, Bundeskriminalamt und ein speziell qualifizierter Unterhändler über die richtige Taktik im Umgang mit den Entführern in den Haaren liegen, erkennt Heller, dass hinter dem Verbrechen mehr steckt als simple Geldbeschaffung. Wer ist der mysteriöse "Malina", auf den es die Gangster offenbar abgesehen haben? Und was treibt den eigentümlichen Boss der Bande, Alpha, wirklich an - er legt ein höchst außergewöhnliches Verhalten an den Tag ...
Mittlerweile erkennen auch die Ermittler, dass die Spur irgendwie in die deutsche Vergangenheit führt. Die Lösung des Falles liegt in der ehemaligen DDR, und sie hängt mit der Praxis zusammen, Kinder von ihren dissidenten Eltern zu trennen.

Kurt Lhotzky

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen