Donnerstag, 26. November 2009

Immer diese Einzeltäter!


Wolfgang Schorlau
Das München-Komplott
kiwi, 334 Seiten, 9,20

Erinnern Sie sich noch an Franz Fuchs? Den Mann, der angeblich im Alleingang die "Bajuwarische Befreiungsarmee" war, Briefbomben verschickte und die mörderische Sprengfalle von Oberwart legte? Eine These, die immer wieder angezweifelt wird. Aber eine Neuaufnahme der Ermittlungen kommt dann doch nie zustande.

Wolfgang Schorlaus "München-Komplott" beschäftigt sich mit einem brisanten Thema der jüngeren deutschen Geschichte: Dem weitgehend aus dem Gedächtnis verdrängten Attentat auf das Münchner Oktoberfest vom September 1980, bei dem 13 Menschen getötet und über 200 zum Teil schwer verletzt worden waren. Damit war der Anschlag auf der "Wiesn" der blutigste Terrorakt in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Hatten CSU-Politiker noch in der Nacht des Verbrechens auf die "rote Spur" hingewiesen, ergab die Identifikation des verstümmelten Leichnams des mutmaßliche Attentäters Gundolf Köhler sehr bald, dass die Spur nach rechtsaußen, zur sogenannten "Wehrsportgruppe Hoffmann" führte.

Die Ermittlungsbehörden schwenkten kurz danach auf eine Einzeltätertheorie um - offen blieben aber viele Fragen, etwa, wie ein Einzeltäter die immerhin in einem Feuerlöscher eingebaute schwere Bombe alleine auf die Wiese gebracht haben sollte; wie der "Einzeltäter" in den Besitz jener englischen Granate gekommen sei, aus der er dann das TNT entnommen und in seinen Sprengsatz gefüllt haben sollte. Und außerdem gab es Zeugenaussagen, die Köhler in Begleitung zweier Männer in grünen Parkas gesehen hatten. Ein weiterer Zeuge will unmittelbar nach der Explosion des Sprengkörpers in einem Abfallkübel jemanden den Satz: : „Ich wollt's nicht, ich kann nichts dafür, bringt's mich um" rufen gehört haben.
All diese Fakten mischt Wolfgang Schorlau vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Erstarkens neonazistischer Kräfte in Deutschland - allen voran der NPD - zu einem brillanten und düsteren Thriller mit seinem Privatermittler Dengler zusammen. Was sind Fakten, was sind Spekulationen?

Ich kann und will in dieser Renzension nicht auf Handlungsdetails eingehen, die zuviel von den verschlungenen und doch offensichtlichen Verwicklungen des "München-Komplott" verraten würden. Die Schlüsse, die sich aus Denglers Ermittlungen ergeben, sind logisch und klar. Wie immer hat Schorlau auf seiner Website ergänzendes Material zum Roman anzubieten. Wie über allen Dengler-Krimis schwebt auch über diesem in blutig leuchtenden Lettern die Frage: Wessen Staat ist der Staat? Und wem dienen seine "Diener" wirklich?
(Kurt Lhotzky)


Achtung: Der folgende Video-Beitrag enthält Aufnahmen, die für Kinder und sensible Personen nicht geeignet sind.

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